Tag: Wissenschaft

Wann wird die Maschine den Mensch überholen?

Katja Grace, John Salvatier, Allan Dafoe, Baobao Zhang und Owain Evans haben in ihrer Arbeit: “When Will AI Exceed Human Performance? Evidence from AI Experts” verschiedene KI Experten auf dem gesamten Globus um Schätzungen zu verschiedenen Fragestellungen gebeten. Die Hauptfrage dabei war:

Wann wird die KI stärker sein als der Mensch?

oder auf englisch:

When will AI exceed human performance?

Figure 1: Wann wird die Künstliche Intelligenz stärker sein als der Mensch?

Die Wissenschaftler sollten das Jahr 2016 als Anfangspunkt nehmen und versuchen, für die kommenden 100 Jahre jeweils eine Wahrscheinlichkeit abzugeben, wann sie damit rechnen.

Die grauen Linien in Figure 1 zeigen alle Messpunkte der verschiedenen Forscher. Die aggregierte Vorhersage überschreitet in circa 50 Jahren die “50% wahrscheinlich, das die KI den Menschen überholt” Marke. In 100 Jahren ist die Wahrscheinlichkeit bei knapp 75%.




Figure 2: Hat die optimistische/pessimistische Schätzung eventuell kulturelle Hintergründe?

Sehr spannend sind die “Ausreißer” – die sehr optimistischen und sehr pessimistischen Schätzer. Figure 2 illustriert, das asiatische Forscher sehr optimistisch geschätzt haben. Nordamerikanische Forscher hingegen schätzen sehr pessimistisch. Welche Einflüsse die Autoren der Studie dafür verantwortlich machen, wird nicht genannt.

 

Wir können allerdings festhalten, dass wir in 50 Jahren eine 50% Chance und in 100 Jahren eine 75% Chance haben, das eine KI stärker sein wird, als ein Mensch.

Figure 3: Berufe, Kreativität und Computerspiele. Wann wird eine Maschine das beherrschen?

 

Diese Aussage ist natürlich sehr wage. Aktuell existieren Systeme, die effizienter arbeiten als der Mensch – beim Verpacken von Kisten, beim Schweißen von großen Metallflächen und weiterem mehr. In der Frage, welche die Autoren stellten, ging es um eine komplette Intelligenz, die mit HLMI (Human Level Machine Intelligence) bezeichnet wird.

Die Umfrage beschäftigte sich aber auch mit weiteren Fragestellungen. Unter anderem wurden die Forscher danach gefragt, wann eine Intelligenz spezifische Sachen besser kann als ein Mensch.

Figure 3 zeigt verschiedene Aufgaben mit den Schätzungen in Jahren, die es noch dauern könnte, bis eine Intelligenz diese Aufgabe, besser als ein Mensch, erledigen kann. Bis eine Intelligenz eine bessere Vertriebsperson ist, soll es im Mittel noch 14 Jahre dauern (die Linie zeigt die Abweichung aller Schätzungen an, es handelt sich hier nicht um einen Roboter, sondern um eine Software).

Sogar mathematische Forschung soll eine Intelligenz irgendwann besser können als der Mensch. Mit diesen schwereren Tasks beschäftigt sich Figure 4.

Figure 4: Nichts ist unmöglich. Etwas kompliziertere Aufgaben brauchen länger, bis sie automatisiert sind.



Dank dieser Studie von Katja Grace et al. haben wir nun eine ungefähre Vorstellung, wann uns die Künstlichen Intelligenzen gefährlich werden können. Allerdings wird sich unser Bild auf die Menschheit, auf Roboter und der Welt in der wir leben in diesen vielen Jahren auch grundsätzlich verändert haben.

Wir dürfen gespannt sein, was uns in den kommenden Jahren und Jahrzehnten noch erwartet! Übrigens, weitere Prognosen rund um das Thema “Technologie in der Zukunft” sammeln wir hier auf dem Blog.

Hier gehts zur Studie

[Bücher] Beschleunigung und Entfremdung – Hartmut Rosa

Da ich aktuell etwas weniger Zeit habe, um über Künstliche Intelligenz und artverwandte Themen zu bloggen, möchte ich eine neue Artikelreihe starten. Denn – Zeit zum Lesen habe ich immer, denn sie ist fest eingeplant bei mir. Deshalb geht es in der neuen Artikelreihe um Bücher, die vor allem für Data Scientists, Data Engineers und Ingenieure der Informatik geeignet sind.

Mit einem Buch vom Soziologen Hartmut Rosa möchte ich dabei starten. Jetzt fragt man sich natürlich, was ein Soziologe überhaupt im entferntesten Sinne mit Informatik und KI zu tun hat. Auf der einen Seite möchte ich generell klarmachen, dass es für einen Informatiker nicht schaden kann, sich in andere Fachgebiete einzulesen, schließlich durchdringt die Informatik immer mehr Teile der Wissenschaften und Wirtschaftsbranchen – ein Blick über den Tellerrand, egal auf welcher Seite des Tellers, lohnt sich also meistens. Auf der anderen Seite ist das Thema (trotz des Erscheinungsjahrs 2013) immer noch aktuell. Persönlich finde ich, dass sich einige meiner (früheren) Kommilitonen, Kollegen und Freunde bezüglich des Themas “Beschleunigung des Alltags” eher reaktiv verhalten, anstatt es aktiv zu verstehen und zu nutzen.

Beschleunigung und Entfremdung von Hartmut Rosa erklärt nämlich sehr genau die Anatomie dieser Beschleunigung. Ein Beispiel: Vor der Erfindung der Eisenbahn vermutete man, dass jede Fortbewegung des Menschen größer als 30 Km/h schädlich für das Gehirn ist. Schauen wir aus dem Fenster und denken einen kurzen Augenblick nach, wie wir heutzutage reisen.  Es gibt viele Aspekte und Facetten dieser Beschleunigung. Rosa sieht die Auflösung der Ständegesellschaft als einen dieser Punkte an. Dadurch wurde das Leben undeterminierter. In einen Stand hineingeboren zu sein, sicherte den Status. Durch die Freiheit, sich den Status selbst zu erarbeiten, kommt aber eben auch der Zwang, sich den Status zu sichern. Nachdem Rosa die Motoren der Beschleunigung identifiziert hat, stellt er fest, dass sich technische Innovationen, wissenschaftliche Erkenntnisse und ökonomische Transaktionen um ein vielfaches beschleunigt haben – nicht aber die Politik. Das sich die Politik nicht entwickelt hat, würde ich nicht direkt unterschreiben. Geopolitik und deren Auswirkung betrifft uns alle.  Auf einer gewissen Ebene hat sich die Politik (nicht vor unserem direkten Auge) auch entwickelt. Worauf der Autor aber hier anspielt: Gelebte Demokratie gibt den Rahmen für Innovationen, Wissenschaft und Wirtschaft vor. Dafür erscheint ihm die Politik zu langsam. Dabei sieht er vor allem den hohen Planungsaufwand (u.a. bürokratiebedingt) als einen Grund.




Die Anatomie der Entfremdung klassifiziert er mit der Entfremdung vom Raum, von Dingen, der Zeit, vom eigenen Handeln sowie Selbstentfremdung & soziale Entfremdung. Er führt diese aus und untermauert sie mit subjektiven Darstellungen, bzw. praktisch erlebtem. Durch in-Beziehung-treten mit Dingen, also durch Interaktionen mit Dingen (einen Socken stopfen anstatt wegzuwerfen, ein technisches Gerät selbst reparieren anstatt es neu zu kaufen) beseelt man sie. Ist dies nicht der Fall, so entfremdet man sich von ihnen, so führt Rosa in seinem Buch aus.

Fazit: Es ist gut, das Thema Beschleunigung (mit diesem Buch) zu begreifen, damit man ihr nicht ausgeliefert ist. Man bringt oft unbewusst Opfer zugunsten der Wettbewerbslogik, man sollte sich dessen wenigstens bewusst sein. Eine Leseempfehlung von mir. Hier gehts zum Buch.