Month: Januar 2017

Maschinenmenschen – Wenn Technik unter die Haut geht

Das Thema Cyborgs gewinnt in unserem Zeitalter des Body-Enhancement immer mehr Bedeutung. Aber was bedeutet eigentlich der Begriff Cyborg? Er ist nicht umfassend definiert und genau deshalb ist es auch so spannend, sich damit zu befassen. Chips oder Magnete unter die Haut implementieren – das definiert zumindest eine Subströmung der Cyborgs. Das Deutsche Hygienemuseum Dresden zeigte dazu am 26.01.2017 den Film “Maschinenmenschen – Wenn Technik unter die Haut geht”  noch vor der TV-Premiere am 31.01.2017 im ARD. Die dazugehörige Veranstaltung mit einer nachfolgenden Podiumsdiskussion nannte sich: “Cyborgs – Leben jenseits natürlicher Beschränkung”.

Neil Harbisson (Quelle: Wikipedia)

Neil Harbisson (Quelle: Wikipedia)

Der Film von Luisa Wawrzinek zeigt einige Protagonisten mit ihrem Begehren, sich durch Prothesen und Chips das Leben zu vereinfachen. Dabei werden verschiedene Level dieser Verbesserung beleuchtet. Neil Harbisson zum Beispiel ist seit der Geburt blind. Er kann durch eine Antenne Farben hören. Die Antenne die er am Kopf trägt, macht Farben für ihn hörbar. So hat für ihn beispielsweise jedes Gesicht eines Menschen einen einmaligen Tonabdruck. Andere Protagonisten des Films haben wiederum einfach nur einen avantgardistischen Anspruch an sich selbst. Sie fordern ihr Technikverständnis heraus uns versuchen, die Zentralverriegelung des Autos mit einem Chip unter der Haut zu öffnen. Oder sie denken sogar daran, einen WLAN-Router in ein künstliches Hüftgelenk einzubauen.




Nach der Vorführung des Films folgte eine Diskussionsrunde mit dem Arbeits- und Organisationspsychologen Prof. Dr. Bertold Meyer (der selbst mit nur einem Arm geboren wurde und eine hochtechnische Prothese trägt), der Tätowiererin Hika Kiekenupp (die aus Menschen Cyborgs macht), Dr. Dierk Spreen (Soziologe und Experte), dem Moderator Alexander Krützfeldt sowie der Regisseurin des Films Luisa Wawrzinek. Als die Diskussion nach der Vorstellung aller Teilnehmer eröffnet wurde, stellte Bertold Meyer klar, dass man die Norm bzw. die Normale verorten muss, wenn man sie verbessern oder erweitert sehen will. Er unterscheidet prinzipiell zwischen einer statistischen Norm (einer natürlichen Norm) und einer medialen Norm. Dabei bezog er sich vor allem auf Behinderungen und die Verbesserung des Lebensgefühls sowie die Steigerung der Leistungsfähigkeit durch verschiedene Enhancements des Körpers. Zusammen mit Hika Kiekenupp und Dierk Spreen stellten sie fest, dass die Brücke zwischen Schönheitsoperationen und Cyborgs, die sich einen Chip implantieren lassen, nicht sehr groß ist. Sie unterscheiden hier zwischen einem ästhetischen Enhancement (bspw. Vergrößerung der Brüste, Schönheitskorrekturen sowie -anpassungen) und einem funktionalem Enhancement (Implantieren von Chips). Außerdem stellen sie fest, dass auch beim Implementieren von Chips und weiteren cyborgartigen Erweiterungen am Körper, die Spielregeln des Kapitalismus gelten. Dabei gingen sie insbesondere auf die Frage ein, ob uns das Leben in einer cyborgartigen Welt menschlicher und besser machen wird. Es werden auch bei diesen Produkten Märkte um das Produkt gebaut und Erweiterungen angeboten werden. Aktuell ist die Technik, auch getrieben durch eine Avantgarde, noch sehr ideell. Außer dem Interesse des Anwenders, Anerkennung zu gewinnen und erste Erkenntnisse zu sammeln (Neugierde befriedigen), kann noch kein wirtschaftliches Interesse festgestellt werden. Es wird aber sicherlich kommen. Ein weiterer spannender Punkt in der Diskussion war eine Aussage aus dem Film, dass wir unsere Umwelt dann anders sowie besser wahrnehmen können. Es hieß sogar, dass aufgrund von Cyborg-Modulen das Empathieverständnis des Menschen verstärkt wird. Eine offene Frage, die dann auch das Schlusswort bildete lautete: “Wir werden durch Technologie nicht menschlicher. Denn wenn es wirklich so wäre, würde die Menschlichkeit in der Technik liegen und nicht in uns.” Eher ist es nach Feststellung der Diskussionsrunde so, dass durch das krankhafte Effizienzdenken die Menschlichkeit verloren geht.




Der Film zeigt vornehmlich Avantgardisten auf dem Gebiet der Cyborgs. Auch der einzige Gegenpol in der Dokumentation, Bertold Meyer, ist eigentlich ein Fürsprecher – jedoch und das betonte er mehrmals, nachdem die Menschen bereit dafür sind. Er fordert mehr Aufklärung und Sensibilisierung für das Thema sowie sinnvollere Anwendungen, für die sich solche Eingriffe lohnen.

Am 30.01.2017 um 23:30 wird diese Dokumentation erstmals auf der ARD ausgestrahlt. (Link)

Allmacht der Algorithmen – Eine Podiumsdiskussion an der Uni Tübingen

Im folgenden Video finden sich mehrere Experten auf dem Gebiet Künstliche Intelligenz, Machine Learning und weitgefasst auch Industrie 4.0 zusammen. Claus Kleber hatte mit seiner Dokumentation names “Schöne neue Welt” über das Silicon Valley viel Aufmerksamkeit erreget. In dieser Podiumsdiskussion geht es nun darum, wie der Stand bzgl. Industrie 4.0 in Dresden ist. Es wird am Anfang etwas über Sebastian Thrun und seine Sicht auf Technologie diskutiert. In Deutschland, einem sehr stark regulierten Land, wird diese Entwicklung nicht so schnell und avantgardistisch voran gehen, wie im Silicon Valley.

Es wird sehr viel über autonomes Fahren geredet, technische Modelle, wie das Sense-Think-Act Modell sind Thema. Dabei ist der Vertreter der Robert Bosch GmH sehr gut im Buzzwords verteilen. Sense-Think-Act bezeichnet hier ein Paradigma aus der Robotik, bei dem die Entscheidung des Roboters nach der Reizaufnahme und dem Zusammenführen sowie Beurteilung der Reize (think) erfolgt. Es werden menschliche Fehler diskutiert, die es zu minimieren gilt. 9 von 10 Autounfälle sind durch Menschen verursacht. Ego, Müdigkeit oder fehlende Erfahrungen, es gibt viele mögliche Ursachen. Außerdem wurden Nanodegrees (kleine nicht vollwertige aber spezielle Bildungsabschlüsse) diskutiert – sowie generell Bildung in der schnelleren und flexibleren Berufswelt.

An sich ist die es die Diskussion wert, angesehen zu werden – ebenso wie die oben verlinkte Dokumentation von Claus Kleber selbst.




Sex als Algorithmus – Die Evolutionstheorie aus dem Blickwinkel der Informatik

In der Novemberausgabe des Communications of the ACM gab es einen spannenden Artikel namens Sex as an Algorithm von Adi Livnat und Christos Papadimitriou. Er beleuchtet aus der Sicht der Informatik, welche Mechanismen der Evolutionstheorie eine fitte und gute Population erschaffen.

Es gibt eine Fehlanpassung zwischen Heuristik und Evolution. Heuristik sollte danach streben, Populationen mit herausragenden Individuen zu schaffen. Evolution mit Sex zeichnet sich jedoch durch etwas ganz anderes ab: Es erschafft eine “gute Population”.

Dabei beleuchten sie die Vergangenheit mit Bezüge auf Charles Babbage und Charles Darwin. Außerdem stellen sie die Red-Blue Tree Theorem auf. Damit wurde nicht zu viel verraten. Das Lesen lohnt sich. Hier geht es zum Artikel.

 

[Bücher] Beschleunigung und Entfremdung – Hartmut Rosa

Da ich aktuell etwas weniger Zeit habe, um über Künstliche Intelligenz und artverwandte Themen zu bloggen, möchte ich eine neue Artikelreihe starten. Denn – Zeit zum Lesen habe ich immer, denn sie ist fest eingeplant bei mir. Deshalb geht es in der neuen Artikelreihe um Bücher, die vor allem für Data Scientists, Data Engineers und Ingenieure der Informatik geeignet sind.

Mit einem Buch vom Soziologen Hartmut Rosa möchte ich dabei starten. Jetzt fragt man sich natürlich, was ein Soziologe überhaupt im entferntesten Sinne mit Informatik und KI zu tun hat. Auf der einen Seite möchte ich generell klarmachen, dass es für einen Informatiker nicht schaden kann, sich in andere Fachgebiete einzulesen, schließlich durchdringt die Informatik immer mehr Teile der Wissenschaften und Wirtschaftsbranchen – ein Blick über den Tellerrand, egal auf welcher Seite des Tellers, lohnt sich also meistens. Auf der anderen Seite ist das Thema (trotz des Erscheinungsjahrs 2013) immer noch aktuell. Persönlich finde ich, dass sich einige meiner (früheren) Kommilitonen, Kollegen und Freunde bezüglich des Themas “Beschleunigung des Alltags” eher reaktiv verhalten, anstatt es aktiv zu verstehen und zu nutzen.

Beschleunigung und Entfremdung von Hartmut Rosa erklärt nämlich sehr genau die Anatomie dieser Beschleunigung. Ein Beispiel: Vor der Erfindung der Eisenbahn vermutete man, dass jede Fortbewegung des Menschen größer als 30 Km/h schädlich für das Gehirn ist. Schauen wir aus dem Fenster und denken einen kurzen Augenblick nach, wie wir heutzutage reisen.  Es gibt viele Aspekte und Facetten dieser Beschleunigung. Rosa sieht die Auflösung der Ständegesellschaft als einen dieser Punkte an. Dadurch wurde das Leben undeterminierter. In einen Stand hineingeboren zu sein, sicherte den Status. Durch die Freiheit, sich den Status selbst zu erarbeiten, kommt aber eben auch der Zwang, sich den Status zu sichern. Nachdem Rosa die Motoren der Beschleunigung identifiziert hat, stellt er fest, dass sich technische Innovationen, wissenschaftliche Erkenntnisse und ökonomische Transaktionen um ein vielfaches beschleunigt haben – nicht aber die Politik. Das sich die Politik nicht entwickelt hat, würde ich nicht direkt unterschreiben. Geopolitik und deren Auswirkung betrifft uns alle.  Auf einer gewissen Ebene hat sich die Politik (nicht vor unserem direkten Auge) auch entwickelt. Worauf der Autor aber hier anspielt: Gelebte Demokratie gibt den Rahmen für Innovationen, Wissenschaft und Wirtschaft vor. Dafür erscheint ihm die Politik zu langsam. Dabei sieht er vor allem den hohen Planungsaufwand (u.a. bürokratiebedingt) als einen Grund.




Die Anatomie der Entfremdung klassifiziert er mit der Entfremdung vom Raum, von Dingen, der Zeit, vom eigenen Handeln sowie Selbstentfremdung & soziale Entfremdung. Er führt diese aus und untermauert sie mit subjektiven Darstellungen, bzw. praktisch erlebtem. Durch in-Beziehung-treten mit Dingen, also durch Interaktionen mit Dingen (einen Socken stopfen anstatt wegzuwerfen, ein technisches Gerät selbst reparieren anstatt es neu zu kaufen) beseelt man sie. Ist dies nicht der Fall, so entfremdet man sich von ihnen, so führt Rosa in seinem Buch aus.

Fazit: Es ist gut, das Thema Beschleunigung (mit diesem Buch) zu begreifen, damit man ihr nicht ausgeliefert ist. Man bringt oft unbewusst Opfer zugunsten der Wettbewerbslogik, man sollte sich dessen wenigstens bewusst sein. Eine Leseempfehlung von mir. Hier gehts zum Buch.

flyAI – Das Schicksal von Hausfliegen wird berechnet

Wir heißen eine der sinnlosesten KI powered Kunst-Installationen auf dem KI-Blog willkommen. Die Rede ist von flyAI. David Bowen heißt der Künstler. Er nutzt TensorFlow und das damit vortrainierte Image Recognition Modell, um das Schicksal von Hausfliegen zu bestimmen. Dabei müssen die Fliegen vor einer Kamera landen und von dem Tensorflow-Modell dahinter als Fliege klassifiziert werden, um Sauerstoff und Nährstoffe zu bekommen. Falls die Fliegen es nicht schaffen, sich vor der Kamera blicken zu lassen, müssen sie vorerst auf Nährstoffe verzichten.




Diese Kunst-Installation zeigt wunderbar, was passiert, wenn unreife Künstler auf Zwang mit der Zeit gehen wollen. Inspiriert wurde er von Nick Bostroms neuem Buch Superintelligence (welches ich hier echt empfehlen kann). Das Buch gibt es hier auf deutsch und hier auf englisch. Für einen Artikel auf Vice hat es dennoch für Bowen gereicht.